Methodenkompetenz

Methodenkompetenz als Teil einer übergeordneten Diversitätskompetenz bedeutet, dass Lehrende über ein didaktisches Repertoire für die diversitätsorientierte Auswahl, Planung und Umsetzung von inklusiven Lehr-Lern-, Beratungs- und Prüfungsformaten verfügen.

Universal Design for Learning (UDL)

Ein reichhaltige Sammlung mit Methoden für einen barrierefreien Zugang zu Lernräumen bietet Universal Design for Learning (UDL). Universal Design als Prinzip hat seinen Ursprung in der Architektur. Es befasst sich mit dem barrierefreien physischen Zugang zu Produkten, Gebäuden oder Außenräumen für jede*n (ursprünglich Mace, Hardie & Place 1991). Adaptiert auf die Hochschullehre geht es um den barrierefreien Zugang zu Lerngegenständen und Lernräumen als „the design of educational products and environments to be usable by all people, to the greatest extent possible, without the need for adaptation or specialized design.” (Burgstahler 2015, 19)

Es geht also darum Lernprozesse so zu gestalten, dass Lernen für alle Studierende gut zugänglich (accessible) leicht nutzbar (usable) und inklusiv ist, also niemanden ausschließt. Das berücksichtigt explizit die Bedarfe von Studierenden mit Beeinträchtigung, versucht aber – explizit darüber hinausgehend – allen Studierenden entgegenzukommen. Dabei kann es um unterschiedliche Lernvorlieben, technische Vorkenntnisse, sprachliche Fähigkeiten, unterschiedliches Vorwissen etc. gehen (Burgstahler 2015, 19 f.). Wenn z.B. bei Videos Untertitel angeboten werden, um Studierenden mit Hörbeeinträchtigung Zugang zu ermöglichen, hilft das auch Studierenden, die nicht Muttersprachler*innen sind oder die das Video in lauter Umgebung hören müssen. Inhalte über mehrere Kanäle anzubieten, hilft Studierenden, die unterschiedliche Lernpräferenzen oder einen anderen kulturellen Hintergrund haben. Als zentraler Leitsatz für UDL gilt:

What is ‘essential for some’ is almost always ‘good for all’. (Meyer et al. 2014, 90)

Universal Design ist in jeder Art von Lernraum anwendbar, in der Lehre selbst aber auch bei Serviceangeboten für Studierende, in digitalen wie auch in physischen Lernräumen (Burgstahler 2020).

Ausgehend von den Prinzipien des Universal Design der Architektur haben sich im Bildungsbereich mehrere, ähnlich lautende Ansätze entwickelt: Universally designed teaching, Universal Design for Instruction, Universal Instructional Design, Universal Design for Learning, Universal Design of Instruction. Diese unterscheiden sich zwar im Detail, geben aber letztlich sehr ähnliche Empfehlungen für die Lehre. (Burgstahler 2015, 47 f.) Wir beziehen uns im Folgenden auf das Universal Design for Learning (UDL), weil es einen forschungsbasierten Unterbau hat, der frei zugänglich ist (https://udlguidelines.cast.org/more/research-evidence). Lassen Sie uns etwas genauer auf die drei Komponenten des Universal Design for Learning schauen (CAST 2018; Meyer et al. 2014):

  • Universal steht für ein Curriculum, das die Unterschiede der Lernenden berücksichtigt und von allen verstanden und genutzt werden kann, nicht nur von den bislang als “traditionelle” Studierende betrachteten oder den als Randgruppen oder Minderheiten angesehenen.
  • Learning wird neurowissenschaftlich verstanden. Es gibt drei verschiedenen Hirnareale, die für die Bereiche (Wieder-)Erkennung, Strategien und Affekte zuständig sind (vgl. Abb. X). Jedes dieser drei Areale wird in Beziehung zu einer zentralen Frage von Lernprozessen gesehen.
  • Design bezieht sich auf das Curriculum, das die unterschiedlichen Lernenden involvieren und herausfordern soll. Es soll schon von vornherein möglichst flexibel und barrierefrei angelegt sein, um Lernchancen für alle zu ermöglichen und nachträgliche Anpassungen und Ausgleiche gering zu halten.

Abbildung: Netzwerke des Gehirns. Quelle: CAST 2018, online verfügbar unter https://www.cast.org/impact/universal-design-for-learning-udl

Im UDL sollen/werden Barrieren identifiziert, die dem Lernerfolg der diversen Studierenden im Weg stehen könnten. Um Lernwege für alle Studierenden zu öffnen, gibt es drei Prinzipien des UDL, die mit den jeweiligen kognitiven Netzwerken korrespondieren: Engagement, Representation und Action & Expression:

  • Es soll versucht werden, möglichst alle Studierenden zur aktiven Mitwirkung (Engagement) zu motivieren. Hier helfen z.B. Wahlmöglichkeiten, die ihnen Entscheidungsfreiheit geben und ihren Interessen entsprechen sowie Lernumgebungen, die Fehler erlauben oder sogar willkommen heißen und sie zu Lerngelegenheiten machen.
  • Representation heißt, Abwechslungsreichtum für alle zu schaffen. Das gelingt, wenn Vielfalt herrscht und sogenannte „Multiple Means“ wie Sozialformen, Medien, Methoden, Aufgaben, Textarten, Lernorte und -kanäle immer wieder variierend eingesetzt werden, sodass mal diese und mal jene Lernende in ihrem Lernprozess besser unterstützt werden.
  • Weiterhin sollten Studierende variantenreiche Gelegenheiten bekommen, sich einbringen und ausdrücken (Action & Expression) und Aufgaben so weit wie möglich individuell bearbeiten zu können. Hilfsmittel hierfür sind Vorbilder, Feedback oder auch Support-Angebote, die auf ihre Leistungsniveaus abgestimmt sind.

Durch den selbstbestimmten Zugang zu den Lerngegenständen (“Was”), der eigenen Lernpraxis (“Wie”) sowie der eigenen Lernmotivation (“Warum”), ist es das Ziel, möglichst alle Studierenden zu Expert*innen ihres eigenen Lernens zu entwickeln. (CAST (2017). UDL Tips for Fostering Expert Learners. Wakefield, MA; http://www.cast.org/publications/2017/udl-tips-fostering-expert-learners)

Das gemeinnützige Center of Applied Special Technology (CAST 2018, seit 2009 gleichzeitig National Center on Universal Design for Learning), das die ersten Formen des UDL in den 80er Jahren entwickelt hat, hält für die Umsetzung dieser anspruchsvollen Prinzipien einen äußerst reichhaltigen Ressourcenpool bereit. Wie in Abb. X dargestellt, wurde eine 3 x 3 Matrix entwickelt, die die drei Prinzipien (Engagement, Representation und Action & Expression) mit drei Entwicklungsstufen hin zum “Expert Learner” aufzeigt. Diese Stufen sind gedacht als von außen nach innen gehend: Lernenden werden anfangs (von außen) Angebote gemacht, die ihnen einen ersten Zugang (Access) ermöglichen, Interesse wecken, für sie gut aufzunehmen sind und ihnen vielfältige Beteiligungsmöglichkeiten bieten.

Abbildung: Universal Design for Learning Guidelines Quelle: CAST 2018, online verfügbar unter http://udlguidelines.cast.org

Das Ziel der Guidelines ist es, dass sich Lernende über diesen ersten Zugang über den weiteren Aufbau (Build) hin zu Expert*innen ihres eigenen Lernens entwickeln, die zweckgeleitet und motiviert, wissend und einfallsreich sowie strategisch handelnd und zielorientiert arbeiten. Je nachdem, wo die Lernenden in ihrer Entwicklung stehen, können aus dieser Tabelle Angebote ausgewählt werden. Die letzte Stufe (Internalize) stellt die Zielebene dar, die Lehrende versuchen sollten, mit den Lernenden gemeinsam zu erreichen: Dazu gehören Selbstregulation, tiefes (fachliches)Verständnis sowie das Management der eigenen Lernprozesse (ausführlich hierzu Meyer et al. 2014, 90 ff.). Insbesondere auf der Internalize-Ebene wird sehr stark metakognitiv gearbeitet.

Die UDL-Guidelines unterstützen Lehrende, möglichst flexible und damit inklusive Curricula zu entwickeln und gleichzeitig auch Entscheidungen im Tagesgeschäft zu treffen (ausführlich Meyer et al. 2014, 125 ff.). Alle Empfehlungen, die dazu gegeben werden, sind sorgfältig recherchiert und werden auf den Webseiten von CAST (http://udlguidelines.cast.org) ausführlich erläutert. Was zudem besonders hervorzuheben ist, ist die umfangreiche Auflistung von Hintergrundmaterial in Form von experimentellen und quantitativen Studien sowie Expertisen, die jeden der genannten Punkte absichern.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Der Diversität der Studierenden wird mit einer Didaktik der Vielfalt begegnet. Es empfiehlt sich, sich von dem vereinheitlichenden Blick auf Lernen zu lösen, bei dem alle Lernenden als ein und derselben Kategorie angehörig angesehen werden. Etwas pointiert lässt sich sagen, dass…
…das Lernen diverser Studierender durch alle Maßnahmen unterstützt wird, die sich wegbewegen von der klassischen, monokategorialen ‘7G-Lehre‘ (in Anlehnung an Helmke 2013, 36.), bei der alle Studierenden im gleichen Semester zum gleichen Zeitpunkt beim gleichen Lehrenden im gleichen Raum mit den gleichen Mitteln das gleiche Ziel gleich gut zu erreichen haben. (Linde & Auferkorte-Michaelis 2018, 27; Herv. i.O.)